(Bild: Guido Bürgler)

Guido Bürgler

«Grandios, …

…, phänomenal, grosse Klasse!»

Kirchenkonzert 2021

Zugegeben, auch Musikantinnen und Musikanten konnten sich ob dem beigeisterten, mit Superlativen nicht geizenden Moderator Joe Hediger ein Schmunzeln nicht verkneifen. Nichtsdestotrotz war das Kirchenkonzert ein wunderbares Erlebnis. Zwei Jahre nach dem letzten Kirchenkonzert konnten wir endlich wieder einmal «gross» aufspielen, das allein rechtfertigt schon die Superlative.

Gleich von Beginn an, bei der anspruchsvollen Ouvertüre zu «Hänsel und Gretel» stellte Dirigent Marco Müller seine grosse Erfahrung unter Beweis. Ruhig und konzentriert animierte er die Musikantinnen und Musikanten zu ausdrucksstarker und lebendiger Gestaltung des facettenreichen Klassikers.

Höhepunkt des Konzerts war sicherlich der Auftritt von Ramon Imlig, der sich und dem Musikverein Goldau mit dem Konzertstück von Camille Saint-Saëns ebenfalls eine anspruchsvolle Aufgabe vorgenommen hatte. Virtuos, elegant und zugleich klangvoll und kräftig zeigte er in der gut besetzten Pfarrkirche die ganze Breite des Hornspiels.

Abwechslungsreich, lüpfig und lyrisch, kräftig und zärtlich, bestimmt und manchmal auch musikalisch etwas unbestimmter. Das Konzert hatte mit Werken von Holst, Mackey und Reed auch nach dem Hornkonzert noch viel zu bieten. Man konnte die Lust an der Musik und am Konzerterlebnis deutlich spüren, auf der Bühne und im Publikum.

Das Publikum belohnte die engagierte musikalische Leistung und das schöne Konzerterlebnis mit langanhaltendem Applaus. Ebenfalls grossen Zuspruch fand der Glühmost nach dem Konzert.

Konzertprogramm

Engelbert Humperdinck
arr. Joseph Kanz

Die Oper «Hänsel und Gretel» ist das berühmteste Werk des deutschen Spätromantikers Engelbert Humperdinck und basiert auf dem berühmten Märchen der Gebrüder Grimm.

Der Komponist selbst schreibt über die Ouvertüre in einem Brief von 1891:

Vergangenen Sonntag habe ich nun auch die Ouvertüre niedergeschrieben, die ein ziemlich ausgedehntes Musikstück geworden ist, eine Art symphonischer Prolog, den man «Ein Kinderleben» betiteln könnte. Er beginnt mit dem Schutzengelchoral, von Hörnern vorgetragen, geht dann über in das «Hokus Pokus», welches wiederum der Melodie «Die Englein haben’s uns im Traum gesagt» weichen muss, woran sich nun lustig «Die Hexerei ist nun vorbei» in fröhlichem E-Dur anschliesst. Dann klingt wieder der Choral hinein, der sich nun mit der Melodie «Die Englein …» organisch verbindet und mit dem triumphierenden «Die Hokus-Pokus-Hexerei ist nun vorbei» glanzvoll in C-Dur abschliesst. Es geht etwas lärmend darin zu, aber «sunt pueri pueri, pueri puerlilia tractand« (Kinder sind einmal Kinder, als Kinder stellen sie Kindisches an) und für die derbe Knabenstimme passt eben nur die Trompete.

Jean-Pierre Haeck

Der belgische Dirigent Jean-Pierre Haeck fühlt sich in der Welt der Opern, Operetten und offensichtlich auch der Filmmusik sehr wohl. Seit 2009 ist er auch als Komponist tätig und hat seither für verschiedene Besetzungen geschrieben.

In «Flight to the Moon» hat er sich inspirieren lassen von den packenden Filmwelten aus den Weiten des Universums und der dazugehörigen Musik. Man wähnt sich beim Zuhören schon fast im gemütlichen Kinosessel und sieht mutige Frauen und Männer in Raumschiffen an bislang unbekannten Planeten vorbeifliegen.

für Horn und Blasorchester, op. 94

Camille Saint-Saëns
arr. Douglas A. Nelson

  1. Allegro moderato
  2. Adagio
  3. Allegro ma non troppo

Ramon Imlig, Horn

Ramon Imlig (*1987) aus Goldau wuchs in einer musikalischen – und dem Musikverein sehr verbundenen – Familie auf, erhielt den ersten Hornunterricht bei seinem Vater Armin Imlig und danach während fünf Jahren bei Philipp Schulze. Zum Berufsmusiker bildete er sich an der Hochschule Luzern bei Jakob Hefti und Olivier Darbellay aus, wo er 2012 das Orchester- und 2014 das Lehrdiplom auf Masterstufe erlangte.

Ramon unterrichtet an den Musikschulen Uri, Schwyz, Arth-Goldau und Cham. Daneben ist er in zahlreichen festen und Ad-hoc-Formationen tätig, darunter das pentaTon Bläserquintett, das Collegium Musicum Luzern, das Collegium Musicum Uri, die Kammerphilharmonie Graubünden, die Zuger Sinfonietta und – darauf sind wir besonders stolz – der Musikverein Goldau.

Die Zeit, als Camille Saint-Saëns 1987 sein Konzertstück für Horn fertigstellte, war geprägt durch rasante Entwicklungen der musikalischen Stile, des Instrumentenbaus und der Technik auf den Instrumenten. Ähnlich wie Schubert in seinem Konzertstück für vier Hörner versuchte auch Saint-Saëns ein Werk zu komponieren, das die technischen Möglichkeiten des damals ganz neuen Ventilhorns ausreizen und zur Geltung bringen sollte. Der konkrete Impuls kam dabei vom französischen Hornisten Henri Chaussier, der damit die Vorzüge des von ihm entwickelten «Cor omnitonique» und seine Virtuosität darauf demonstrieren wollte.

Während sich das Instrument mit vier Ventilen von Chaussier unter den damaligen – und späteren – Hornisten nicht durchsetzte, wurde das Konzertstück von Saint-Saëns ein grosser Erfolg. Es ist ein prominenter Zeuge aus der Zeit der Wende vom Natur- zum Ventilhorn, und auch auf dem modernen Horn virtuos und anspruchsvoll.

Im ersten der drei ineinander übergehenden Sätze erklingt ein lüpfiges Thema in drei Variationen, die erste gesetzt und ernst, die zweite verspielt und die dritte stürmisch und rasant. Im zweiten, lyrischen Satz müssen Melodiebögen gespielt werden, die auf den traditionellen Naturhörnern noch kaum machbar gewesen wären. Der dritte, wieder raschere Satz beginnt mit Tonfolgen über zweieinhalb Oktaven und mündet in einem glanzvollen Finale.

Das einzige erhaltene Exemplar eines «Cor Chaussier» befindet sich heute im Musikinstrumentenmuseum in Brüssel. Es wurde vor rund 10 Jahren im Rahmen eines Forschungsprojekts der Hochschule der Künste Bern von der Firma Egger Blechblasinstrumentenbau aus Basel vermessen und nachgebaut. Damit konnte das Konzertstück von Saint-Saëns erstmals wieder auf dem dafür vorgesehenen Instrument gespielt werden (Video).

in F-Dur, op. 28 Nr. 2

Gustav Holst
bearb. Colin Matthews

  1. March: Morris dance, Swansea Town, Claudy Banks
  2. Song Without Words
  3. Song of the Blacksmith
  4. Fantasia on the Dargason

Wie viele seiner Zeitgenossen interessierte sich der englische Komponist Gustav Holst sehr für die Verbindung von damals modernen Musikstilen und Besetzungen mit den traditionellen Volksliedern der englischsprachigen Welt. Die «Second Suite» ist eines der bekanntesten Werke für die Militärkapelle des frühen 20. Jahrhunderts, die als Ursprung der heutigen Blasorchester gelten kann. In den vier Sätzen nimmt Holst insgesamt sieben traditionelle Musikstücke oder Volkslieder auf, und dies mit einem feinen Gespür für die Klangfarben der Bläserbesetzung.

Im ersten Satz werden drei marschartige Liedmotive kombiniert. Nach einem kurzen Wechselspiel zwischen Tuba und Piccolo, das nicht das letzte dieser Art sein wird, erklingt ein lüpfiges Lied, das zum traditionellen, englischen «Morris dance» gesungen wird. Es geht über in «Swansea town», eine getragene, elegante Melodie, deren stolzer Charakter ein wenig an Wagner erinnert. Unvermittelt erklingt als Trio mit «Claudy banks» ein weiteres Lied, das diesmal in Moll steht. Wie in der Volks- und Marschmusik üblich, folgt nach dem Trio ein Da Capo, wird also der erste Teil wiederholt.

Der zweite Satz ist, als Kontrast zum Ende des ersten, still und andächtig mit dem Lied «I’ll love my Love» im Zentrum, das durch verschiedene Instrumente geht und ganz am Ende des Satzes bei den Bässen endet.

Der dritte Satz stellt dazu wiederum einen Gegensatz dar: Es wird brachial, allerdings nicht im kriegerischen, sondern im handwerklichen Sinne. Im «Song of the blacksmith» wird die Arbeit des Schmieds inklusive Amboss musikalisch vertont.

Der finale Satz kombiniert «Dargason», eine Tanzmelodie aus dem 17. Jahrhundert, und das bekannte Lied «Greensleeves». Beide Motive treten in unterschiedlichen Varianten und in verschiedenen Registern immer wieder hervor und werden im Finale dann in einander verwoben. Den Schluss bildet gewissermassen ein Duett zwischen Tuba und Piccolo, die damit zurück zum Anfang verweisen.

John Mackey

Nach dem Blasmusik-Urgestein Gustav Holst ertönt mit «Sheltering Sky» ein weiteres sehr modernes Werk. Anders als bei «Flight to the Moon» und vielen anderen zeitgenössischen, schillernden und virtuosen Werken für Blasorchester sucht John Makey eher die Vertrautheit, die Einfachheit und die Nostalgie. Ähnlich wie bei Holst stehen auch hier Melodien im Zentrum, die an Volkslieder erinnern. Allerdings hat Makey nicht vorhandene Melodien in sein «Sheltering Sky» integriert. Vielmehr deutet er die Melodien Konturen und Farben bekannter Lieder nur an, und vermittelt damit ein Gefühl dunstiger Distanz, als wären sie erinnerte Träume.

«Sheltering Sky» beginnt mit langen Phrasen, die sich aus einer umgebenden Ruhe entwickeln und nach und nach über das ganze Orchester ausbreiten. Von dort entstehen Aussagen volksliedhafter Melodien wie zum Beispiel ein seufzender Ruf der Oboe und eine hoffnungsvolle Antwort der Trompete. Mackey schafft das Gefühl der indirekten Vertrautheit auch, indem er kaum einfache Dreiklänge einbaut und stattdessen undeutlichere Akkorde verwendet. Gerade durch diese Dissonanzen erzeugt er eine noch größere Anziehungskraft für die wehmütige Nostalgie. Jede neue Phrase beginnt mit der Auflösung der vorherigen. So entsteht ein Gefühl von Bewegung, das nie ganz aufhört. Die Melodien selbst entfalten und verflüchtigen sich schliesslich wieder, bis die sich öffnenden Akkorde des Anfangs zurückkehren.

for Symphonic Band

Alfred Reed

Mit Alfred Reed und seiner «Russian Christmas Music» schliessen wir unser vorweihnachtliches Kirchenkonzert ab. Dieses Werk hat entscheidend dazu beigetragen, dass Alfred Reed sich als einer der wichtigsten Komponisten zeitgenössischer Musik für sinfonisches Blasorchester etabliert hat. Er selbst hat die ursprüngliche Version von 1944 vier Jahre später nochmals überarbeitet um eine klarere Stuktur und das äusserste Mass an Klangfülle zu erreichen.

Eine wichtige Inspiration lag – einmal mehr – in einer Liedmelodie. Dieses Mal ist es der alte russische Weihnachtschoral «Choral der kleinen russischen Kinder». Zusätzlich zu Motiven aus der liturgischen Musik der Orthodoxen Kirche soll das Stück damit einen musikalischen Eindruck des alten Russland zur feierlichen Weihnachtszeit geben.

Ausgehend von einer ruhigen, feierlichen aber zugleich auch etwas nostalgischen Grundstimmung führt das Werk durch zahlreiche Klangfarben und hat, von ruhigen, schwebenden Passagen und singenden Soli im Englischhorn bis hin zu gigantischen Tuttiklängen alles zu bieten.

Presseartikel

Musikverein Goldau brillierte am Kirchenkonzert (Guido Bürgler, Rigi-Post, 9. Dezember 2021)

Probewochenende fürs Kirchenkonzert (Rita Häcki, Rigi-Post, 25. November 2021)