Frühlingskonzert 2009
Gespannt warteten die zahlreichen Zuhörer am 25. April im Pfarreizentrum Eichmatt darauf, was sie wohl in den nächsten zwei Stunden am Konzert des Musikverein Goldau zu hören bekommen würden. Nicht zuletzt das auf dem Programmheft abgebildete Cello weckte die Neugier: War das jetzt noch ein Blasorchester-Konzert?
Mit der wuchtigen Festmusik von Richard Strauss wurden die Bedenken zunächst mal ausgeräumt. Mit wuchtigem Blech-Sound und ruhigeren Holzpassagen eröffnete der Musikverein Goldau sein Frühlingskonzert in bester blasorchestermässiger Manier. Dann allerdings schloss sich der Vorhang bereits wieder und während der Begrüssung von Pia Aschwanden hörte man deutlich, dass hinter ebendiesem Vorhang gearbeitet wurde. Was beim Öffnen des Vorhangs erschien war eine Kleinbesetzung des Musikvereins, die sich für das Highlight des Konzertes bereitgemacht hatte; für das Gulda-Cellokonzert. Auch das Podest für den Solisten Jonas Iten war bereit und er legte im ersten, sehr rockigen Satz auch gleich los. Getragen von einer Rhythmus-Section mit Gitarre, Bass und Schlagzeug zeigte er gleich zu Beginn viel Kraft und Einsatz. Dem energiegeladenen ersten Satz folgte sogleich – quasi als Kontrastprogramm – der lyrische zweite Teil, der von den Hörner eingeleitet auch einen einfachen Tanz enthielt. Hier konnte Jonas Iten auch leichte, spielerische Passagen zeigen bevor es dann zu seiner Kadenz ging. In dieser Kadenz wurde vom Komponisten Friedrich Gulda alles verlangt, was mit einem Cello spielbar ist. Mehrstimmigkeit, Akkordbrechungen und Flageolett bis in höchste Lagen brachte Jonas Iten sehr gekonnt zum Ausdruck. Die Spannung und Faszination bei den Zuhörern war beinahe greifbar. Diese wurde vom vierten Satz mit mittelalterlich anmutenden Klängen wieder etwas gelockert. Im Finale, das eine Art Bauernkappelle nachzubilden versucht, wurde die grosse Spielfreude von Solist und Ensemble noch einmal sehr deutlich.
Im zweiten Konzertteil nach der Pause ging der Musikverein – nun wieder in Vollbesetzung – geographisch erneut von Wien aus und spielte mit „Frühlingsstimmen“ einen Klassiker aus dem Repertoire des Walzerkönigs Johann Strauss. Nach Osten ging die Reise weiter in die musikalische Region der Klezmer-Musik. Schliesslich wurde mit den bekannten „Armenischen Tänzen“ von Alfred Reed der östliche Wendepunkt erreicht. Der Musikverein Goldau kam nach dem verdienten Applaus in seiner Zugabe noch einmal nach Wien zurück und bot den Zuhörerinnen und Zuhörern seine Version des weltbekannten Radezki-Marsches – selbstverständlich mit Publikumsmitwirkung.
Der Musikverein Goldau dankt ganz herzlich allen Konzertbesucherinnen und -besuchern, Christian Öchslin für die souveräne Ansage, allen Projektmitgliedern sowie den Sponsoren des Frühlingskonzerts für die grosszügige Unterstützung.
Presseschau
Fabelhaftes Konzert in Goldau (Stefan Spirig, Rigi-Post, 30. April 2009)
Fabelhaftes Konzert in Goldau (Stefan Spirig, Bote der Urschweiz, 27. April 2009)
Impressionen
Konzertprogramm
arr. Eric Banks
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Die Festmusik der Stadt Wien wurde im Jahre 1943 vollendet. Während eines Aufenthaltes in Wien wurde Richard Georg Strauss gebeten, ein Werk für den Trompetenchor der Stadt Wien zu schreiben, ein berühmtes Blechbläser-Ensemble, das 1926 gegründet wurde und damals unter der Leitung von Hans Heinz Scholtys stand. Das Werk belegt das Interesse des Komponisten, für Bläser zu schreiben. Es ist ein wichtiges Stück, obgleich es nur wenig bekannt ist und seine Originalpartitur nie veröffentlicht wurde.
Strauss hat später selbst eine Kurzfassung der Festmusik geschrieben, welche Eric Banks als Grundlage für sein Arrangement für sinfonisches Blasorchester diente.
Text: Flavian Imlig
- Ouverture
- Idylle
- Cadenza
- Menuett
- Finale alla marcia
Jonas Iten, Cello
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Jonas Iten wurde 1972 in eine Musikerfamilie in Zug geboren. Seinen ersten Cellounterricht erhielt er siebenjährig bei seinem Onkel Luciano Pezzani, Solocellist am Opernhaus Zürich. Nach der Matura 1991 erlangte er am Konservatorium Winterthur bei Markus Stocker Lehr- und Konzertreifediplom mit Auszeichnung. Das Solistendiplom erreichte er 1997 bei Stanislav Apolin und Marek Jerie in Luzern. Auch nach dem Studium legte Jonas Iten grossen Wert auf musikalische Weiterbildung. So besuchte er Meisterkurse bei Arto Noras, Markus Nyikos, Antonio Meneses und William Pleeth. Weitere Anregungen erhielt er bei Aida Stucki-Piraccini und Johann Sonnleitner. Jonas Iten ist Preisträger am Rahn-Wettbewerb in Zürich, zweifacher Gewinner eines Förderpreises des Kantons Zug, mehrfacher Preisträger des Migros-Genossenschaftsbundes und der Ernst-Göhner-Stiftung sowie der Kiefer-Hablitzel-Stiftung.
Als Orchestermusiker pflegt Jonas Iten eine rege Konzerttätigkeit in der Schweiz sowie im nahen und fernen Ausland. Er ist Solocellist verschiedener Orchester, u.a. seit 1995 bei der Camerata Zürich und seit 2001 bei den Festival Strings Lucerne. Daneben ist er auch kammermusikalisch aktiv u.a. als Mitglied des Schweizer Oktetts, das seit Jahren vor allem dank seiner Adaptionen von Original Schweizer Volksmusik eine zunehmende Popularität geniesst.
Als Solist ist Jonas Iten aufgetreten mit Orchestern wie dem Orchester Musikkollegium Winterthur, dem Luzerner Sinfonieorchester, dem Orchestra della Svizzera Italiana, der Camerata Zürich, der Zuger Sinfonietta und mit den Festival Strings Lucerne; mit letzteren im 2007 mehrmals auf einer Südamerika-Tournee und im Rahmen des Lucerne Festival im KKL. Sein Debutalbum „Bach und Barrière“ hat mit dazu beigetragen, dass seine solistische Tätigkeit zugenommen hat.
Es ist Jonas Iten auch ein grosses Anliegen, seine Erfahrung als Cellist und Musiker im Unterricht weiterzugeben. Er tut dies als Cello-und Ensemblelehrer an der Musikschule Zug. Ein Film des Schweizer Fernsehens sowie Radio-, CD- und DVD-Aufnahmen dokumentieren seinen Weg.
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Friedrich Gulda (1930 – 2000) schuf mit diesem Konzert für Cello und Blasorchester einerseits wohl ein Bekenntnis zu Humor und Spass, die in der klassischen Musik nicht häufig zu finden sind, andererseits zeigt das Konzert teilweise wohl auch eine gehörige Portion Ironie und Sarkasmus. Er schrieb das Konzert für den Cellisten Heinrich Schiff, der ihn bezüglich der Möglichkeiten der Cellotechnik und von Klangeffekten beriet. Gulda schreibt dabei eine Verstärkung für das Solocello vor. So konnte er in der Bläserbegleitung wesentlich offensiver vorgehen.
Der erste Satz ist dreiteilig, wobei ein kontrastierendes, lyrisches Seitenthema zwischen dem 1. und dem 2. beziehungsweise zwischen dem 2.und 3. Chorus einen Moment der Entspannung schafft, bevor die harten Rock-Rhythmen den überraschten Zuhörer wieder mitreissen. Der zweite Satz bringt dazu einen weichen Kontrast mit weichen Hornklängen und einem fröhlichen 2. Teil, der von den Holzbläsern getragen wird. Dazu spielt das Cello eine beschwingt durchlaufende, in 8teln komponierte Gegenstimme.
Übergangslos führt diese Idylle in eine spannungsgeladene technisch äusserst schwierige, grosse Solokadenz, den 3.Satz über. Zwei Stellen sind vom Solisten nur aufgrund von Anweisungen Friedrich Guldas zu gestalten: Bei der ersten Stelle steht in den Noten:
«Unter Verwendung der leeren A-Saite als Basis und dieselbe zwischendurch auch immer wieder anspielend verschiedene Doppelgriffe (Sexten, Quarten, Terzen, Sekunden) in Tempo und Lautstärke steigernd bis in sehr hohe Lagen (etwa 3-gestrichene Oktave) anwenden! Am Höhepunkt in harmonische Single-Läufe (laut brillant, schnell) übergehen und dieselbe zu folgendem Zielpunkt herabführend»
Bei der zweiten Stelle steht folgende Anweisung geschrieben:
«Hohe und höchste, leise und lieblich pfeifende Flageolett-Töne ad libitum (auch künstliche Flageoletts eventuell sogar Doppelgriffe) solange die Spannung des Spielers und des Publikums damit zu halten ist!»
Danach führt die Reise über ein beinahe mittelalterlich anmutendes Menuett in die «Ausseer Dorfblasmusik», über der sich der Solist in wilden 16tel Stellen austobt. Ein ebenso schwierig zu spielendes Doppelgriff-Seitenthema leitet über in einen gewitterhaften Mittelteil mit harten rockigen Rhythmen, um anschliessend wieder in die anfängliche Dorfblasmusik zurück zu kehren. Den Abschluss findet das Konzert im «Finale alla marcia», einer auskostenden Coda die das ohnehin schon rasende Tempo noch einmal weiter auf einen Höhepunkt treibt.
Text: Christian Stutzer
Johann Strauss
arr. Louis Martinus
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Johann Baptist Strauss (1825 – 1899), bekannt mit der Zusatzbezeichnung «Sohn», war DER österreichische Kapellmeister und Komponist und allgemein als der Walzerkönig bekannt.
Seinen «Frühlingsstimmen-Walzer» hat er 1882 ursprünglich für Sopran und begleitendes Orchester komponiert. Der Anlass dazu war eine Gala am bekannten Theater an der Wien. Heute wird dieses Werk aber meist als reiner Orchester-Walzer gespielt.
Der Walzer beginnt mit wuchtigen Akkorden bevor dann ziemlich schnell die erste, zarte und zugleich wirbelnde Melodie erklingt. In der zweiten Melodie werden die Freuden des Frühlings besungen. Dabei imitieren die Flöten Vogelgezwitscher und die Hörner bringen eine kurze Hirtenszene hinein. Die etwas unerfreulicheren Seiten des Frühlings wie zum Beispiel das launische Wetter kommen im dritten Teil zum Ausdruck, wo das Tempo und die Melodiebögen schnell wechseln. Die vierte Melodie bricht den etwas schwermütigen Charakter auf und ist wieder heiter und fröhlich. Nach einem Da Capo kommt das Stück in einer kurzen Coda und mit dem fast obligaten Paukenwirbel zu einem strahlenden Finale.
Text: Flavian Imlig
- Mazltov (Gute Nacht-Lied)
- Dem Trisker rebn’s nign (Melodie des Rabbis von Trisk)
- Lomir zich iberbetn (Jiddisch: Lassen wir uns miteinander versöhnen)
- Chosidl (langsamer Tanz)
- Ma jofus (Hebräisch: Wie prächtig…)
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Klezmer ist die traditionelle Instrumentalmusik bei Hochzeiten und Festen der jiddisch sprechenden Juden Osteuropas. Ihr Ursprung geht auf das 16. Jahrhundert zurück.
Johan de Meij bearbeitete fünf Klassiker aus dem Klezmer-Repertoire und schuf daraus eine farbenfrohe Auswahl:
«Mazltov» diente früher beim Abschied als sogenanntes Dobranots (Gute Nacht-Lied) dazu, die Hochzeitsgäste hinaus zu geleiten.
Die Melodie «Dem Trisker rebn’s nign» wurde erstmalig 1925 in New York vom Klarinettisten Dave Tarras aufgenommen. Der Titel (Trisk ist ein kleiner Ort in der ukrainischen Provinz Wolhynien) spielt auf die Gefühle der zahlreichen jüdischen Immigranten, die sich in Amerika niederliessen, an. Sie bildeten einen potentiellen Absatzmarkt für die aufkeimende Plattenindustrie.
«Lomir zich iberbetn» ist ein traditioneller Hochzeitstanz. Er wurde auf dem Fest von den ledigen Mädchen und Jungen getanzt, die – um Körperkontakt zu vermeiden – lediglich durch ein Taschentuch verbunden waren.
«Chosidl» ist ein Tanz von getragenem Charakter. Die Melodie basiert auf einem Nigun, einer chassidischen textlosen Melodie. Der Chassidismus ist eine orthodoxe Strömung innerhalb des religiösen Judentums, in welchem Mystizismus eine wichtige Rolle spielt.
«Ma jofus» schliesslich basiert auf einem Loblied auf den Schabbat. Ein echter Klassiker aus dem Klezmer-Repertoire, auch bekannt unter dem Titel Tants, tants, Jidelech. Das Lied war früher in Osteuropa ebenso bekannt wie heute Hava Nagila.
Text: Flavian Imlig
- Tzirani Tzar (Der Aprikosenbaum)
- Gakavi Yerk (Das Lied des Rebhuhns)
- Hoy, Nazan Eem (Hallo, meine liebe Nazan)
- Alagyaz (Berg in Armenien)
- Gna, Gna (Komm, komm)
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Die «Armenischen Tänze» basieren auf authentischen armenischen Volksliedern, die von Gomidas Vartabed (1869–1935), dem Begründer der klassischen armenischen Musik, gesammelt und aufgezeichnet wurden. Vartabed hat über 4.000 armenische Volkslieder der Nachwelt erhalten. Alfred Reed war bestrebt, dem Geist der armenischen Musik gerecht zu werden, einer Volksmusik, die bis heute nicht die Anerkennung in der westlichen Welt erhalten hat, die sie eigentlich verdient hätte. Betrachtet man, wie oft nur dieses Werk in Konzertprogrammen zu finden ist, hat er dieses Ziel sicherlich erreicht.
Im Werk werden fünf Meldien verarbeitet:
«Tzirani Tzar» zeichnet sich durch besondere Expressivität und rhythmische Vitalität aus. Die einfache Melodie «Gakavi Yerk» soll die zarten Schritte des Rebhuhns symbolisieren. «Hoy, Nazan Eem» ist ein humorvolles Lied, das Gomidas um des Kontrastes Willen mit einer langsamen Melodie verband. Die Melodik ahmt lautmalerisch Gelächter nach. In «Alagyaz» wird der gleichnamige armenische Berg lyrisch besungen. Schliesslich geht es in «Gna, Gna» noch einmal richtig zur Sache.
Text: Christian Stutzer & Flavian Imlig